3D-Druck verwandelt Blaspistole in Staubsauger
Um Verunreinigungen an Produktionsarbeitsplätzen zu beseitigen, sollte eine zum Staubsauger umgebaute Blaspistole Abhilfe schaffen. Selektives Lasersintern sparte Zeit und Geld und erzeugte Geometrien, die kein anderes Verfahren ermöglicht hätte.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Im Falle des Kunden von SMC waren es keine Späne, aber Verunreinigungen an Produktionsarbeitsplätzen, die es effizient zu beseitigt galt. Die Lösung: eine mit Hilfe eines 3D-Druckteils zum Staubsauger umgebaute Blaspistole. Die zuverlässige Herstellung der Kleinserie sicherte 1zu1.
„Um das Potenzial der additiven Fertigungsverfahren voll auszuschöpfen, müssen unsere Auftraggeber die Möglichkeiten kennen“, so lautet das Mantra von 1zu1. Über die Möglichkeiten informiert 1zu1 bei zahlreichen Anlässen. Etwa 2016 beim Austrian 3D-Printing Forum in Linz. Dort kam auch Gerhard Böhm, Team Lead Engineering Design bei der SMC, mit der Vorarlberger High-Tech-Schmiede in Kontakt.
SMC ist mit einem Marktanteil von über 30 Prozent Weltmarktführer in der Antriebs- und Steuerungstechnik von pneumatischen und elektrischen Systemen. 12.000 Produktgruppen umfasst das Sortiment: Luftaufbereitung, Ventile und Drosseln, Antriebe, Verschraubungen und Schläuche sowie Vakuum- und Instrumentierungskomponenten. Der Konzern wurde 1959 in Japan gegründet, in Korneuburg befindet sich das Headquarter für Zentral- und Osteuropa.
Eine Idee für den 3D-Drucker
Neben Standardprodukten entwickelt und baut SMC auch spezielle Komponenten, die für den Bedarf der Kunden maßgeschneidert sind. Ein solcher Kundenwunsch landete bei Gerhard Böhm auf dem Tisch: An einem Produktionsarbeitsplatz entstehen Verschmutzungen, die teilweise schwer zugänglich sind. Eine konventionelle Absaugung einzubauen wäre zu aufwändig. Der Lösungsansatz: ein „Handstaubsauger“, der mit Druckluft arbeitet, denn die ist am Montagearbeitsplatz sowieso vorhanden.
Die Idee war bei SMC nicht ganz neu. Bulgarische Kollegen hatten schon einmal auf eine konventionelle Blaspistole eine Absaugvorrichtung gebaut. Allerdings galt es, Ergonomie und Funktion dieser Lösung zu optimieren. Relativ schnell wurde klar, dass eine High-Tech-Staubsauger-Version mit konventionellen Fertigungsmethoden kaum realisierbar war. Jedenfalls nicht wirtschaftlich. Das Ergebnis: eine konventionelle Blaspistole, ein Volumenstromverstärker (der Unterdruck erzeugt und somit saugt), eine konventionelle Staubsaugerdüse und eine kleine Luftlanze (zum kurzfristigen Aufwirbeln der Verunreinigungen) werden mit einem 3D-gedruckten Leergehäuse verbunden.
Seinen selbst ausgedruckten Entwurf für dieses Gehäuse hatte Gerhard Böhm bereits im Gepäck, als er nach Dornbirn kam. 1zu1-Vertriebsleiter Thomas Kohler und Markus Schrittwieser, Leiter Additive Manufacturing, begutachteten das Teil wohlwollend: „Uns hat gefallen, dass die Konstruktion das Potenzial des 3D-Drucks optimal nutzt“, merkt Thomas Kohler an. Etwa das große Gewinde am Ende des zylinderförmigen Teils, das beim selektivem Lasersintern (SLS) einfach zu drucken ist. Bei herkömmlicher Fertigung müsste das Gehäuse jedes Mal mühsam aus dem Werkzeug gedreht werden. Ein zweites Feature, das nur mit additiver Fertigung funktioniert: ein innenliegender Druckluft-Kanal, der sich um das ganze Bauteil legt. Das wäre konventionell gar nicht zu bewerkstelligen.
In drei Wochen von der Anfrage zur Serie
Nachdem alle Feinheiten der Konstruktion – beispielsweise ein zweiter, kleinerer Gewindegang, bei dem man sich aufgrund der Lage für manuelles Drehen entschied – geklärt waren, produzierte 1zu1 innerhalb von fünf Tagen fünf Prototypen. Nur zehn Tage danach folgten 30 weitere Teile als Vorserie. Damit konnten alle für die Kleinserienfertigung nötigen Parameter fixiert werden. „Entscheidend für die Wiederholgenauigkeit ist ein kontrollierter Prozess“, weiß Markus Schrittwieser aus Erfahrung: „Dazu sind Mensch, Material, Maschine und Umgebungsbedingungen exakt aufeinander abzustimmen.“ Das hat 1zu1 im Form des AMQ-Zertifikats auch schwarz auf weiß.
Der Erfolg: Nach zehn weiteren Tagen war die erste Serie mit 50 Stück fertig. „So lange dauert beim Spritzguss schon alleine die Herstellung des Werkzeugs“, schmunzelt Lina Ellensohn, die sich um den reibungslosen Ablauf des Projekts kümmerte. Mit der Abwicklung zeigt sich auch Gerhard Böhm zufrieden: „Von der Anfrage bis zur Lieferanzeige klappt das bei 1zu1 alles wie am Schnürchen. Da macht die Zusammenarbeit Spaß.“
Ein Kriterium für die Auswahl von 1zu1 als Partner war auch, dass SMC hier alles aus einer Hand erhält. Das dient nicht zuletzt der Geheimhaltung. Im konkreten Fall war neben dem 3D-Druck und dem Fräsen des zweiten Gewindes auch noch eine Heißdruckimprägnierung erforderlich, um das Gehäuseteil schwarz zu färben. Bei diesem Verfahren werden die Polyamid-Teile unter Druck und bei hohen Temperaturen eingefärbt. Der Vorteil gegenüber herkömmlichem Lackieren: Es entsteht kein Farbauftrag, der die Funktion des Gewindes beeinträchtigen könnte.
Machbare Genauigkeit, überschaubare Losgrößen und realistische Budgets
„Beim SLS liegt die Genauigkeit im Zehntel-, und nicht im Hundertstel-Millimeter-Bereich“, räumt Thomas Kohler ein: „Dafür sparen wir die Zeit und das Geld fürs Werkzeug und können Geometrien erzeugen, die mit keinem anderen Verfahren möglich sind.“ Das erfordert aber auch eine entsprechende Budgetierung von Projekten. Die Stückkosten für das 3D-gedruckte Gehäuseteil sind nicht unerheblich, die Gesamtkosten aufgrund der Losgröße aber günstiger als bei konventioneller Fertigung. „Im konkreten Fall rechtfertigt der Kundennutzen die Kosten“, erklärt Gerhard Böhm: „Unser Kunde spart sich durch die innovative Lösung die Investition für eine konventionelle Absaugung und wir haben – mit tatkräftiger Unterstützung von 1zu1 – unsere Lösungskompetenz unter Beweis gestellt.“