Was ist besser, Spritzguss oder 3D-Druck?
Wir haben die beiden Technologien anhand konkreter Praxisbeispiele gegeneinander antreten lassen. Oberflächenqualität, Materialvielfalt, Präzision und Kosten: Wir verraten, wann welches Verfahren die Nase vorn hat.
Die Wahl der richtigen Fertigungstechnologie ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und Qualität Ihrer Kunststoffteile. Besonders für die Entwicklung und Konstruktion stellt sich häufig die Frage: 3D-Druck oder Spritzguss? Anhand zweier realer Bauteile möchten wir die Unterschiede deutlich machen und eine Entscheidungshilfe bieten.
Die Torson Injex AG produziert nicht nur hochwertige Spritzgussteile, sondern neuerdings auch 3D Druck Teile aus dem FDM-Drucker. Dieser Showcase soll eine verständliche Übersicht geben, welche Vor- und Nachteile die beiden Technologien haben und in welchem Fall sich welches Herstellungsverfahren besser eignet.
Um einen aussagekräftigen Vergleich zu machen, haben wir zwei ähnliche Bauteile genommen, welche sich beide bei uns in Produktion befinden. Eines wird im Spritzguss und das andere im FDM-Verfahren hergestellt. Beide Bauteile sind ähnlich in der Grösse und weisen ein Innengewinde auf.
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Gewindehülse Spritzgussteil | Endkappe FDM Bauteil |
Beim Spritzguss wird Kunststoff erhitzt bis er schmilzt und anschliessend in eine Spritzgussform eingespritzt, um die gewünschte Form abzubilden. Wenn der Kunststoff abgekühlt und erstarrt ist, wird das Bauteil aus der Form (auch Werkzeug genannt) entformt.
Beim 3D Druckverfahren FDM (Fused Deposition Modelling) wird ein Kunststofffilament aufgeschmolzen und durch eine feine Düse gepresst. Die Düse baut dann Schicht für Schicht das Bauteil aus dünnen "Kunststoff-Würstchen" auf.
Hier nachfolgend werden die beiden Technologien in verschiedenen Aspekten miteinander verglichen.
Anmerkung: Die hier getroffenen Aussagen sind nach bestem Wissen und Gewissen. Die Torson Injex AG hat kein Interesse daran , die Leserschaft zum einen oder zum anderen Verfahren zu bewegen. Unsere Bestrebung ist es, einen objektiven Vergleich aufzustellen.
Der Vergleich:
Oberfläche und Optik
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Schichtaufbau FDM | Bindenaht FDM |
Die Oberflächenqualität von FDM-Bauteilen hat sich in den letzten Jahren nochmals deutlich verbessert. Trotzdem kann ein erfahrenes Auge direkt unterscheiden, ob ein Bauteil aus dem 3D Drucker oder aus einem Spritzgusswerkzeug kommt.
Beim FDM-Verfahren werden die Bauteile Schicht für Schicht aufgebaut. Meist mit einer Schichtstärke zwischen 0.1 und 0.4mm. Diese Schichtung ist auch am Endresultat klar erkennbar.
Ein weiterer optischer Aspekt beim FDM Verfahren ist die sogenannte Bindenaht. Dies ist der Ort, an welchem der Druckkopf die äussersten Schichten startet und beendet. Häufig wird der Punkt so gewählt, dass er in jeder Schicht mehr oder weniger an der gleichen Stelle liegt. Dadurch bildet sich die Bindenaht. Es gibt Strategien dies zu minimieren. Komplett eliminieren lässt es sich jedoch nicht.
Das Spritzgussverfahren bietet hier deutlich feinere Einstellungsmöglichkeiten. In diesem Beispiel wurde die Oberfläche des Bauteils erodiert. Damit lassen sich gezielt und präzise vorgegebene Oberflächenrauheitswerte erreichen. Von hochglanzpolierten Oberflächen bis hin zu rauen Texturen ist alles möglich.
Die einzigen Makel in der Oberfläche des Spritzgussteils sind der Anspritzpunkt und die Werkzeugtrennung, an welcher die beiden Hälften des Spritzgusswerkzeuges aufeinandertreffen. Bei vielen Bauteilen kommen noch Auswerferabdrücke hinzu, welche bei diesem Bauteil nicht vorhanden sind.
Materialien und Eigenschaften
Die Anzahl an verarbeitbaren Materialien für das FDM-Verfahren hat in den letzten Jahren nochmals deutlich zugenommen. Zu den häufigsten Druckmaterialien gehören PLA, ABS und PET-G. Mittlerweile sind jedoch auch PC, PA, PPS, PEEK, PP und weitere Materialien verfügbar. Meistens auch in faserverstärkten Ausführungen.
Der Spritzguss bietet hier jedoch nochmals eine andere Grössenordnung an Auswahl. Es gibt weit über 10'000 unterschiedliche Materialien mit allen möglichen Kombinationen an Additiven, Verstärkungen, Zertifizierungen und Sondereigenschaften. Besonders im Bereich der Elastomere ist der Spritzguss hier überlegen.
Auch beim Vergleich der mechanischen Eigenschaften hat der Spritzguss die Nase vorn. Der schichtweise Aufbau der FDM-Bauteile führt immer zu einer Verminderung der Belastbarkeit und zu anisotropem Verhalten. Auch hier gibt es Strategien, diesen Effekt zu mindern. Schlussendlich wird ein spritzgegossenes Bauteil einem FDM-gedruckten Bauteil aus dem gleichen Material immer überlegen sein.
Toleranzen
Für Spritzgussbauteile gibt es verschiedene Normen zur Festlegung und Einschätzung von Toleranzen. Eine der weitverbreitetsten ist die DIN ISO 20457, welche Toleranzen nach Toleranzklassen angibt und diese in Abhängigkeit des Nennmasses unterteilt und zwischen werkzeuggebundenen (W) und nicht werkzeuggebundenen Massen (NW) unterscheidet. Ein kleiner Ausschnitt aus einer solchen Toleranztabelle ist hier gezeigt.
Für FDM-Bauteile haben sich nach unserem besten Wissen noch keine eigenen Toleranzstandards etabliert. Daher verwenden wir für diesen Vergleich die gleichen Toleranzklassen wie für die Spritzgussbauteile. Für klassische Spritzgussteile werden häufig die Toleranzklassen TG4 bis TG7 verwendet. Welche Klasse Anwendung findet, hängt schlussendlich noch vom verwendeten Material, dem Schwindungsverhalten und der Wandstärkenverteilung ab. Mittels Präzisionsfertigung kann die Toleranzklasse um einen Punkt verbessert werden.
Für das Spritzgussbauteil Gewindehülse, welches in einem verstärkten Kunststoff mit gleichmässiger Wandstärkenverteilung gespritzt wird, fallen die meisten Masse in die Toleranzklasse TG4 und bei einigen Massen wird sogar die Klasse TG3 erreicht. Beim FDM-Bauteil Endkappe werden Toleranzklassen im Bereich TG6 bis TG4 erreicht, wobei für TG4 eine iterative Verbesserung gezielter Masse notwendig ist.
Funktionalität
Beide Bauteile weisen ein Innengewinde auf. Daher wird für diesen Vergleich die Funktionalität des Gewindes und die Verschraubung verglichen.
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FDM Bauteil Endkappe auf Stecker | FDM schichtweiser Aufbau im Gewinde |
Die Bauteile werden in der Anwendung sogar mit dem gleichen Gegenstück verschraubt. Die Endkappe ist ein Transportschutz für den Steckverbinder und die Gewindehülse ist ein Bestandteil des zugehörigen Koaxial-/Triaxialstecker, welcher damit verbunden wird.
Die Endkappe aus dem 3D Drucker lässt sich problemlos mit dem Gewinde verschrauben. Obwohl man im Gewinde die Schichtung des Druckverfahrens deutlich erkennen kann, ist die Verschraubung sauber mit nur ganz leichten Reibungseffekten.
Die spritzgegossene Gewindehülse lässt sich natürlich spielfrei und äusserst geschmeidig mit dem Gegenstück verschrauben.
Design
Einer der grössten und wichtigsten Vorteile des 3D Drucks ist die beinahe grenzenlose Designfreiheit. Falls ohne Stützstrukturen gearbeitet werden soll, dürfen keine zu starke Überhänge konstruiert werden (Winkel von der äusserst Bahn zur nächsten Schicht). Ansonsten gibt es fast keine Hindernisse. Hinterschnitte, Gewinde und andere komplexen Strukturen, welche im Spritzguss machbar, aber sehr aufwendig sind, stellen hier keine Probleme dar.
Zudem können auch sehr ungleichmässige Wandstärken, Hohlräume oder andere, im Spritzguss unmögliche Geometrieeigenschaften, konstruiert und umgesetzt werden. Im gezeigten Praxisbeispiel wären beide Bauteile, die Gewindehülse, wie auch die Endkappe, in beiden Verfahren umsetzbar.
Durchlaufzeit
Auch in Sachen Zeit ist der 3D Druck dem Spritzguss deutlich überlegen. Torson Injex darf vermutlich mit Fug und Recht behaupten, eines der schnellsten Verfahren für die Produktion von Spritzgussteilen weltweit zu haben. Dank einem additiven Tooling Verfahren (die Werkzeuge kommen aus dem 3D Drucker – jedoch nicht einer FDM-Maschine) können echte Spritzgussteile in wenigen Tagen hergestellt werden. Im klassischen Spritzguss ist häufig eher mit Wartezeiten im Bereich von mehreren Wochen bis Monate n zu rechnen.
Anders beim 3D Druck. Sobald das Design fixiert ist, kann der erste Prototyp innerhalb weniger Minuten bis Stunden in der Hand gehalten werden. Auch weitere Iterationen und Designanpassungen, welche im Spritzguss schnell wieder Tage und Wochen benötigen, sind im 3D Druck im Nu umgesetzt.
Kosten
Bei den Kosten ist die Sache etwas komplexer. Beim Spritzguss gibt es zwei Kostenpunkte. Das Werkzeug und der Teilepreis. Je mehr Bauteile man herstellen möchte, desto mehr Kavitäten bringt man ins Werkzeug ein, um gleich mehrere Bauteile auf einmal spritzen zu können. So hängen die Werkzeugkosten nicht nur von der Bauteilgeometrie, sondern auch von der angepeilten Stückzahl ab.
Beim FDM-Verfahren wird kein Werkzeug benötigt und nur die Stückkosten sind massgeblich. Jedoch skalieren diese deutlich schlechter als im Spritzgussverfahren. Nachfolgend ein Überblick über die Kostenstrukturen:
Auswahl der Technologie
Ob Spritzguss oder FDM-Druck für eine Anwendung besser geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier ein vereinfachter Entscheidungsbaum, welcher für die Evaluation hilfreich sein soll.

Für die hier gezeigten Bauteile fiel die Entscheidung folgendermassen aus:
- Gewindehülse: Dieses Bauteil ist spritzgusstauglich aber eine FDM-Optik ist nicht akzeptabel. Daher muss das Bauteil spritzgegossen werden.
- Endkappe: Dieses Bauteil wäre spritzgusstauglich aber eine FDM-Optik ist für die Anwendung akzeptabel und alle Funktionalitäten können erfüllt werden. Bei einer Bedarfsmenge von 10'000 wäre der Stückpreis beim Spritzguss besser. Wenn man jedoch die Initialkosten für das Werkzeug einrechnet, fällt der Entscheid zu Gunsten des FDM-Verfahren aus.
Fazit
Der FDM-Druck hat sich in den letzten Jahren zu einem probaten Herstellungsverfahren für Kunststoffteile etabliert. In vielerlei Hinsicht ist ein 3D-gedrucktes Bauteil einem Spritzgussteil klar unterlegen. In Sachen Optik, Materialauswahl, Eigenschaften und Funktionalität hat der Spritzguss fast immer die Nase vorn. Für den 3D-Druck sprechen die fantastische Designfreiheit und die Tatsache, dass keine Initialkosten anfallen.
Kurz zusammengefasst: Für Kleinserien und Prototypen mit weniger Anspruch an Oberfläche und Festigkeit ist FDM ideal. Für Serienprodukte mit hoher Präzision, mechanischer Belastbarkeit und Oberflächenqualität bleibt Spritzguss die bevorzugte Wahl.